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Osteopathische Hilfe für die Kleinsten: 10 Jahre Säuglings-Check-Up in Kassel
Vor genau zehn Jahren sorgte Osteopath und Heilpraktiker Andreas Hempel für Schlagzeilen: Mit seiner Hilfe bot die geburtshilfliche Abteilung des Diakonie-Gesundheitszentrums Kassel als erste Klinik Deutschlands Eltern von Neugeborenen einen kostenfreien osteopathischen Check-up ihrer vier bis zwölf Wochen alten Kinder an. In einem Interview schildert das Mitglied des Verbandes der Osteopathen Deutschland (VOD) e.V. seine Erfahrungen.
VOD: Herr Hempel, gut vier Jahre lang haben Sie am Diakonie-Gesundheitszentrum in Kassel Säuglinge untersucht. Seit dem Umzug der Klinik bieten Sie den osteopathischen Check-up für Säuglinge privat in Ihrer Praxis an. Wie viele Säuglinge sind in diesen zehn Jahren durch Ihre Hände gegangen?
Andreas Hempel: In den vier Jahren an der Klinik weisen unsere Aufzeichnungen schon annährend 1000 osteopathische Check-up aus. Die Leistung ist seit dem Umzug der Klinik ein fester Bestandteil meiner Praxis und wird von den Eltern gut angenommen.
VOD: Was war und ist das Besondere an diesem osteopathischen Check-up?
Andreas Hempel: Das Besondere an dieser Leistung ist, dass sie auf den wissenschaftlichen Arbeiten der Kinderärztin Frau Dr. med. Heike Philippi (ärztliche Leiterin des Sozialpädiatrisches Zentrum Frankfurt Mitte) zum Thema der „Infantilen (frühkindlichen) Haltungsasymmetrie und osteopathischen Behandlung“ basiert. Diese Studie gab deutlich Hinweise auf die therapeutische Wirksamkeit und die Vorteile einer frühen osteopathischen Behandlung im Spektrum der frühkindlichen Haltungsasymmetrie. Mir war es von Anfang an wichtig, das Angebot an den aktuellen Erkenntnissen der Wissenschaft zu orientieren.
VOD: Warum ist Ihrer Meinung nach eine möglichst frühe osteopathische Untersuchung von Säuglingen wichtig?
Andreas Hempel: Eine frühe osteopathische Untersuchung von Säuglingen ist nach meiner Erfahrung eine Möglichkeit, frühkindliche Haltungsasymmetrie zu erkennen, da sie nach meiner Wahrnehmung noch nicht die richtige Beachtung im klinischen Alltag findet und häufig auf einen günstigen Spontanverlauf vertraut wird. Diesen findet man aber nach den Publikationen von Frau Dr. Philippi bei ca. 25% der asymmetrischen Säuglinge nicht. Zudem beobachte ich in meinem Praxisalltag eine Zunahme der frühkindlichen Haltungsasymmetrie durch unverhältnismäßige Lagerung des Säuglings auf dem Rücken.
VOD: Was ist Inhalt des osteopathischen Check-up für Säuglinge und welche Resonanz erhalten Sie durch die Eltern?
Andreas Hempel: Bei dem osteopathischen Check-up für Säuglinge handelt es sich um ein Präventionsangebot zur Vorbeugung einer frühkindlichen Haltungsasymmetrie und Kopfverformung (Plagiocephalus) durch z.B. Zwangslagen im Mutterleib, Geburtseinfluss und oder einer unverhältnismäßigen Lagerung des Säuglings auf dem Rücken. Der Check-up beinhaltet eine osteopathische Untersuchung von „Kopf bis Fuß“ und ein ausführliches Interview der Eltern auf potenziell medizinisch relevante Informationen. Bei Hinweisen auf Kopfverformung (Plagiocephalus) und oder Haltungsasymmetrie, werden die Eltern über korrigierendes Handling, Lagerungsstrategien und weitere Maßnahmen neben den Möglichkeiten einer weiterführen osteopathischen Behandlung informiert und angeleitet. Die Resonanz der Eltern ist durchgehend positiv, da sie sich handlungsfähig und gut informiert fühlen.
VOD: Wie hat sich damals die Zusammenarbeit mit den Krankenhaus-Mitarbeitern/innen gestaltet?
Andreas Hempel: Insbesondere mit den Hebammen und Frauenärzten/innen gab es vom ersten Tag an eine gute Zusammenarbeit, was sich in einem engen fachlichen Austausch und gemeinsamen Fortbildungen widerspiegelte. Einige Kinderärzte/innen haben unser Handeln kritisch gewürdigt. Das war damals ein Stück Pionierarbeit für die Osteopathie in Deutschland, und wir sollten weiterhin den offenen Dialog mit allen Berufsgruppen im Gesundheitswesen suchen und unser Handeln erklären.
VOD: Mittlerweile haben verschiedene andere Krankenhäuser in Deutschland, wie etwa die Kliniken Wiesbaden, Lüneburg, Kulmbach oder Altona, das Modell des osteopathischen Check-up übernommen. Haben Sie Kontakt zu Osteopathen/innen dieser oder anderer Einrichtungen und können über deren Erfahrungen berichten?
Andreas Hempel: Leider nein, ich hätte gerne meine Erfahrungen mit den dortigen Kollegen/innen geteilt. Hier sehe ich noch Entwicklungspotential unseres Berufstandes in Deutschland. Vor über 10 Jahren habe ich eines der ersten interdisziplinären Therapiezentren in Hessen mitgegründet. Für mich ist es ein Selbstverständnis, einen engen fachlichen Austausch mit allen Berufsgruppen zu pflegen und gemeinsam Behandlungsschritte in einem Team im Sinne des Patienten/innen abzustimmen.
VOD: Dann weiterhin alles Gute für Ihre Tätigkeit und herzlichen Dank für das Interview!