Pressemitteilung -
„Ich bin immer wieder fasziniert, wie gut man mit Osteopathie intervenieren kann“ / Interview mit Birgit Halsband, Osteopathin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft
Wiesbaden. Birgit Halsband, Osteopathin und Mitglied des Verbandes der Osteopathen Deutschland (VOD) e.V., betreut die Spielerinnen der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft osteopathisch, ebenso wie Leichtathleten bei den Paralympics und Handballerinnen des TuS Metzingen. In einem Interview verrät sie Details über ihre Arbeit und ihre Erfahrungen bei Olympia in Rio de Janeiro.
VOD: Frau Halsband, Sie sind seit September 2015 im medizinischen Team der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft aktiv und waren 2016 dabei, als die Mannschaft in Rio de Janeiro Gold gewann. Welche Rolle hat die Osteopathie an dieser grandiosen sportlichen Leistung gespielt?
Birgit Halsband: Wichtig ist vor allem gewesen, dass wir innerhalb des sportlichen und medizinischen Teams einen guten Austausch hatten und so die Belastung optimal dosieren und Verletzungen vorbeugen konnten. Wir hatten in der gesamten Vorbereitung und den Olympischen Spielen keine gravierenden Verletzungen. Zwar traten vereinzelt, vor allem nach hoher Wettkampfintensität, funktionelle muskuläre Probleme auf, aber durch unsere osteopathische Denkweise konnten wir die Spielerinnen ganzheitlich analysieren und sorgten somit dafür, dass sich keine parietalen Störungen manifestieren. Auch die viszeralen Interventionen beeinflussen deutlich die Regeneration. Ich bin davon überzeugt, dass die Mannschaft durch die osteopathischen Kenntnisse der medizinischen Abteilung bei jeder Maßnahme, aber auch bei den Olympischen Spielen in Rio sehr davon profitiert hat und profitieren wird.
VOD: Wie oft kommen Sie und Ihre Kolleginnen bei solch kräftezehrenden Turnieren zum Einsatz? Wie kann man sich Ihren Tag vorstellen?
Birgit Halsband: Wenn wir mit der Mannschaft unterwegs sind, sind wir im Prinzip rund um die Uhr für die Spielerinnen da. Je nach Intensität des Problems oder der Turnierphase kommen die Spielerinnen auch mehrmals pro Tag in unsere Hände. Bei den täglichen Trainingseinheiten betreuen wir die Mannschaft sportphysiotherapeutisch mit den klassischen Maßnahmen, denn das leistet die Osteopathie ja nicht. Sollte bei einer Spielerin ein Problem auftreten, erstellen wir gemeinsam mit unserem Arzt eine Behandlungsstrategie und überlegen, wie wir die Probleme unter Berücksichtigung aller Systeme regulieren können.
VOD: Wo liegen die körperlichen Probleme bei Fußballerinnen? Und wie behandeln Sie und Ihre Kollegen diese dann osteopathisch?
Birgit Halsband: Durch die hohe Schuss- und Passbelastung beim Fußball sind die daran beteiligten Muskeln schnell überlastet, hyperton und neigen zu Zerrungen. Gerade die häufigen Zweikämpfe, vor allem bei den Spielen, haben aber auch schon mal Prellungen und Hämatome zur Folge. Wir versuchen schnellstmöglich myofaszial zu detonisieren, dazugehörende Segmente bei Bedarf zu regulieren und Engpässe (Diaphragmen) faszial zu lösen, damit die Zirkulation optimal ablaufen kann. Nicht so selten sind auch viszerale Störungen, die die sportliche Leistungsfähigkeit nicht nur auf parietaler Ebene einschränken können. Und auch die Craniosakrale Therapie kommt zum Beispiel bei Schädeltraumata zum Einsatz.
VOD: Wirkt Osteopathie Ihrer Meinung nach auch präventiv?
Birgit Halsband: Selbstverständlich! Eines der Grundprinzipien der Osteopathie ist das Prinzip der Autoregulation, und das ist bei uns im Leistungssport enorm wichtig, egal ob wir über Anpassungen in Bezug auf Trainingsreize oder die Regeneration nach Wettkämpfen reden.
VOD: Können Sie ein Beispiel nennen?
Birgit Halsband: Durch stimulierende Techniken beispielsweise an Leber und Milz werden katabole Abfallprodukte besser verstoffwechselt. Und durch die Behandlung der Diaphragmen und des vegetativen Nervensystems können zudem Zirkulation und Regeneration optimiert werden.
VOD: Wie oft werden Sie im Laufe des Jahres bei Länderspielen eingesetzt?
Birgit Halsband: Wir sind ein Team von sechs Physiotherapeuten, von denen jeweils vier einen Lehrgang oder eine Länderspielmaßnahme betreuen. Da wir alle voll im Berufsleben stehen, kommt es darauf an, wie oft wir von der eigenen Praxis abkömmlich sind und natürlich, wie oft wir von der Teamleitung angefordert werden. Teilweise kommen schon einige Wochen im Jahr zusammen.
VOD: Im Anschluss an die Olympischen Spiele sind Sie gleich in Rio geblieben und haben als Osteopathin die Leichtathletik-Nationalmannschaft bei den Paralympics betreut. Bei der Vielzahl der Leichtathletik-Disziplinen war das sicher eine Herausforderung: Welche körperlichen Probleme haben Sie in dieser Zeit behandelt?
Birgit Halsband: Ja, das ist ein spannendes Betätigungsfeld für eine Osteopathin. Grundsätzlich arbeiten wir in diesem Rahmen nicht an der Grunderkrankung, sondern an den Folgen der Handicaps. Ich bin immer wieder fasziniert, wie gut man mit der Osteopathie intervenieren kann. Bei Franziska Liebhardt hat der Tonus der bestehende Halbseiten-Spastik sich signifikant durch regelmäßige craniosakrale und fasziale Behandlungen verbessert. Da sie zudem auch noch lungen- und nierentransplantiert ist, konnten wir die viszeralen Spannungen durch fasziale Techniken gut regulieren. Durch all dies zusammen konnte sie als Kugelstoßerin deutlich besser in ihre Wurfauslage kommen. Aber auch die funktionellen Störungen der amputierten Athleten lassen sich sehr gut osteopathisch behandeln.
VOD: Und last but not least haben Sie die Bundesligisten der Handballerinnen vom TuS Metzingen im Europa-Pokalfinale osteopathisch betreut. Wo lagen hier Ihre Schwerpunkte?
Birgit Halsband: Beim Handball entstehen viele Probleme durch die harten körperlichen Zweikämpfe, viel Springen und Fallen. Da bin ich immer auf der Suche nach Fehlern im System gewesen. Osteopathisch behandelt man außerdem viel nach Frakturen im Gesicht (Nasen-, Jochbein). Aber auch Leberprellungen und Stürze auf das Kreuzbein sind nicht selten.
VOD: Osteopathie ist demnach in vielen Spitzensport-Bereichen angekommen. Worauf führen Sie das zurück?
Birgit Halsband: Durch die Professionalisierung im Spitzensport steigen auch die Anforderungen in allen anderen Bereichen. Man versucht die Leistungen der Athleten durch Analyse verschiedenster Datenmengen und neuer Trainingsmethoden zu optimieren. Man sucht ständig nach neuen innovativen Ideen neue Trainingsreize zu setzen und die Leistungen weiter zu verbessern. Und da denke ich, dass die Osteopathie durch ihre Möglichkeiten perfekt dazu beitragen kann, dass die Leistungsfähigkeit erhalten und erreicht wird.
VOD: Vielen Dank für das Gespräch!
Bildunterschriften:
1. Die ehemalige Bundestrainerin der deutschen Fußballnationalmannschaft der Damen Silvia Neid (vorne) mit Mannschaftsarzt Ingo Tusk und den Osteopathinnen Angelika Steeger-Adams, Birgit Halsband und Maiken Birnbaum, und (v.l.) Foto: privat
2. Osteopathin Birgit Halsband (li.) mit der Paralympics-Siegerin im Kugelstoßen 2016, Franziska Liebhardt. Foto: privat
3. Birgit Halsband (li.) behandelt Anna Loerper, deutsche Handball-Nationalspielerin, Foto: Gunar Fritzsche
Hintergrund:
Osteopathie ist eine eigenständige Form der Medizin, die dem Erkennen und Behandeln von Funktionsstörungen dient. Die osteopathische Diagnose und Behandlung erfolgt ausschließlich mit den Händen. Der Patient wird in seiner Gesamtheit betrachtet. Osteopathie ist bei vielen Krankheiten sinnvoll und behandelt vorbeugend.
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Der VOD wurde 1994 in Wiesbaden gegründet und hat mehr als 4000 Mitglieder. Der älteste und mitgliederstärkste Berufsverband Deutschlands verfolgt im Wesentlichen folgende Ziele: Die Etablierung des eigenständigen Berufs des Osteopathen auf qualitativ höchstem Niveau, sachliche und neutrale Aufklärung über Osteopathie und Qualitätssicherung im Interesse der Patienten. Darüber hinaus vermittelt der VOD hoch qualifizierte Osteopathen.